Somaliland im „Recognition Gap“ – Positionen internationaler Think Tanks und Forschender
Einleitung
Somaliland gilt seit 1991 als De-facto-Staat, der stabile politische Institutionen, demokratische Wahlen und relative Sicherheit aufgebaut hat. Dennoch wird Somaliland völkerrechtlich weiterhin als Teil Somalias betrachtet und bleibt damit von internationalen Finanzströmen und Entwicklungsprogrammen ausgeschlossen. Diese Diskrepanz zwischen faktischer Staatlichkeit und fehlender Anerkennung wird in der wissenschaftlichen Literatur als „Recognition Gap“ beschrieben. Ziel dieses Papiers ist es, zentrale Positionen internationaler Think Tanks und Forschender zusammenzufassen, um die aktuelle Debatte für politische Entscheidungsträger nachvollziehbar zu machen.
Positionen ausgewählter Think Tanks
Chatham House
Das britische Think Tank Chatham House beschreibt Somaliland als einen Staat, der wesentliche Kriterien souveräner Staatlichkeit erfüllt: funktionierende Institutionen, lokale Sicherheit, ein gewähltes Parlament und eine im regionalen Vergleich stabile Ordnung. Gleichzeitig sei Somaliland aufgrund fehlender Anerkennung vom Zugang zu multilateralen Finanzinstitutionen ausgeschlossen. Chatham House bezeichnet dies als strukturelle Benachteiligung und verweist auf die Gefahr, dass Stabilität nicht honoriert, sondern durch internationale Isolation untergraben wird¹.
International Crisis Group (ICG)
Die International Crisis Group weist in mehreren Analysen darauf hin, dass Somaliland im Gegensatz zu weiten Teilen Somalias ein stabiles politisches Umfeld bietet, das Chancen für regionale Kooperationen eröffnet. Gleichwohl warnt die ICG, dass internationale Isolation die demokratische Entwicklung gefährden könnte, da wirtschaftliche Perspektiven fehlen. Beispiele wie das Abkommen mit Äthiopien zur Nutzung des Hafens von Berbera werden als Indiz dafür gesehen, dass Somaliland in der Lage ist, internationale Vereinbarungen zu schließen².
Akademische Forschung
In der akademischen Literatur wird Somaliland häufig als Paradebeispiel eines „De-facto-Staates“ analysiert. Sarah Phillips bezeichnet Somaliland als Fall, in dem informelle politische Strukturen effektive Governance ermöglichen³. Markus Hoehne hebt hervor, dass Somaliland in vielerlei Hinsicht einem funktionierenden Staat entspricht, aber durch den Mangel an internationaler Anerkennung systematisch marginalisiert wird⁴. Neuere Studien, wie die von Abdirahman Yusuf, betonen zudem die Bedeutung der Clanstrukturen und warnen davor, dass die Nicht-Anerkennung die langfristige Stabilität gefährdet⁵.
Fazit
Die internationale Forschung und Think-Tank-Analysen zeigen übereinstimmend, dass Somaliland trotz funktionierender Strukturen und relativer Stabilität nicht von den Vorteilen internationaler Anerkennung profitiert. Dieses „Recognition Gap“ führt zu einer systemischen Benachteiligung, die langfristig die Stabilität der Region gefährden kann. Projekte, die Somaliland gezielt unterstützen, können helfen, diese Lücke zu überbrücken, ohne eine völkerrechtliche Vorwegnahme der Anerkennungsfrage zu erzwingen.
Literaturverzeichnis
1. Phillips , Sarah: Somaliland: The Power of Informal Politics. Chatham House, London 2012.
2. International Crisis Group: Somaliland: The Strains of Success. Africa Briefing No. 113, Nairobi/Brüssel 2015.
3. Phillips, Sarah: Political Settlements and State Formation: The Case of Somaliland. In: Developmental Leadership Program Research Paper No. 23, Sydney 2013.
4. Hoehne, Markus V.: Between Somaliland and Puntland: Marginalization, Militarization and Conflicting Political Visions. Rift Valley Institute, Nairobi 2015.
Yusuf, Abdirahman: Strengthening Democracy in Somaliland: Addressing Clan Influence. SSRN Working Paper, 2024.